Benjamin Schmid: Ich lebe in der Gegenwart



Als Student bei Meisterkursen, bzw. als Konzertpartner haben Sie die Bekanntschaft von legendären Musikern gemacht: Menuhin, Gitlis, Milstein, Stern, Végh...
Ist es Ihnen ein Anliegen eine Gewisse musikalische Tradition weiterzutragen, oder gehen Sie eigene Wege?

Natürlich waren die Begegnungen mit großen Musikern, zu denen ich unbedingt auch Nikolaus Harnoncourt und Stephane Grapelli zählen möchte, bestimmend für meinen Weg. Aber es geht nie um Nachahmung sondern um eigene Verarbeitung und Weiterentwicklung. So wichtig z. B. die Erkenntnisse von Harnoncourt mit dem "Originalklang" waren und sind, ich bemühe mich nicht um "historische" Instrumente, sondern ich will auf meiner modernen Stradivari das, was daraus "zeitlos" ist erfahren und darstellen. Ich lebe in der Gegenwart.

Ihr Kalender ist voll von Konzerten – 70-80 im Jahr, Kammermusik, Auftritte mit Orchestern Soloabende, ja sogar Jazz. Fällt Ihnen „umschalten“ leicht? Haben Sie eine gewisse „Technik“, die Ihnen das rasche Umsteigen erleichtert?
Vor einem Monat habe ich in einer 4-tägigen Pause während einer 3-wöchigen Jazz- Tournee das Angebot wahrgenommen, mit Zoltan Kocsis und der Ungarischen Nationalphilharmonie das Beethoven-Konzert in Budapest zu spielen. Schwierig war die Zeit, wo ich Beethoven und Jazz parallel geübt habe. Während der echten Jazz-Pausentage hatte ich jedoch gar kein Problem, mich voll auf Beethoven zu konzentrieren und es wurde auch ein sehr schönes Konzert. Heikler ist das mit sogenannten "gemischten" Programmen: eine Hälfte Klassik, eine Hälfte Jazz. Da geht es nämlich nicht nur um meine Befindlichkeit sondern immer auch sehr stark um jene des Publikums. Und da passiert es schon, daß jeweils ein Teil des Publikums mit Jazz oder mit Klassik nichts anzufangen weiß und das mag ich nicht. Wenn allerdings ein Publikum darauf vorbereitet ist und bewusst in so ein Konzert kommt, fällt auch mir der Umstieg viel leichter. Gar nicht leiden kann ich "Verjazzung" von Klassik oder ähnlichen Unfug, der gerne als "crossover" verkauft wird. Dafür habe ich vor jeder dieser beiden Musikformen zu viel Respekt. Jede ist für Dilettantismus zu schade. Die Umstellung innerhalb der Klassik von Solo auf Kammermusik und Orchesterkonzert ist in jedem Fall eine Frage der wirklich guten Vorbereitung jedes einzelnen Auftritts. Gibt es die, mit der dafür notwendigen Zeit, dann fällt auch der Umstieg nicht schwer sondern wird oft
zur Freude.

Sie Interessieren sich intensiv für Literatur. Inwiefern ist es für einen modernen Musiker wichtig eine tiefe allgemeine Bildung zu erlangen?
Ich lese gerne, und die Welt und mich selber darin möglichst gut zu verstehen - das ist mir schon sehr wichtig. Aber ich möchte daraus keine generellen Regeln machen: ich treffe immer wieder fantastische Musiker, die ohne das auszukommen scheinen, die quasi aus dem Bauch heraus wunderbar spielen. Es gibt viele Wege.

Bereits im Alter von 28 Jahren waren Sie Gastprofessor and der Hochschule Mozarteum in Salzburg. Was halten Sie vom Unterrichten? Wie ist es als junger Mensch junge Menschen zu unterrichten?
Ich bin, früher als von mir geplant, durch den tragischen Tod meiner besonders geschätzten Lehrerin Irmgard Gahl in eine Hochschulprofessur "hineingerutscht". Gerade weil ich selber das Glück mit hervorragenden Lehrern hatte, weiß ich welche Verantwortung es ist, eine Ausbildungsklasse mit 12 angehenden Berufsmusikern zu leiten. Ich gerne unterrichte und mache das weiter auf Meisterkursen (2001 z. B. in USA, England, Deutschland und Österreich), aber will ich jetzt primär spielen und beides kann man in diesem Umfang nicht seriös machen. Da mußte ich mich vor mir selber entscheiden. Ich bin aber sicher, daß das Unterrichten nicht vorbei ist.

Die großen Agenturen erzeugen heute in Zusammenarbeit mit den Medien Ihre Superstars, und das auch im Gebiet der klassischen Musik. Sind Sie ein Medienmensch?
Nein - und ja. Natürlich habe ich gelernt, damit umzugehen, dass wir in einer Medienwelt leben. Ich mache jedoch nichts, nur weil ich glaube dass "das gut für eine Meldung" ist. Die Substanz zählt, zu ihrem Transport trage ich nicht sehr viel bei, das müssen die Medien selber tun.

Der Ausbildung nach sind Sie ein „klassischer“ Musiker, Sie spielen jedoch auch sehr viel Jazz. Hat Sie Ihre Bekanntschaft mit Menuhin und Grapelli in diese Richtung orientiert? Hilft dem klassischen Musiker die Erfahrung aus dem Jazz und vice versa?
Die Orientierung sowohl zur Klassik als auch zum Jazz ist lange vor meinen Begegnungen mit Menuhin und Grapelli entstanden. Entscheidende Bestätigungen waren diese Begegnungen aber schon. Ich glaube, dass die im Jazz geforderte Kreativität auch zur Freiheit und Fantasie in der Interpretation von Klassik etwas beitragen kann. Und viele der bedeutenden Jazzer der Gegenwart verfügen über das solide technische Fundament der klassischen Ausbildung und profitieren davon. Trotzdem – es sind bis zum eigenen Verhalten am Podium zwei verschiedene Welten, in denen man sich da bewegt.

Am Festival Convergences in Bratislava, vom Cellisten Jozef Lupták veranstaltet, werden Sie mit slowakischen Musikern. Es ist dies jedoch nicht ihr erster Auftritt in der Slowakei und auch nicht Ihre erste Zusammenarbeit mit Musikern aus der Slowakei....
Miklos Skuta ist einer der von mir meistgeschätzten Musikerkollegen überhaupt. Mit ihm kann ich Programme in einer Spannweite und Qualität realisieren wie mit kaum jemand anderen. Über ihn habe ich für meine erste Jazz-CD Boris Lenko, Akkordeon und Ronald Sebesta, Klarinette, kennengelernt und bin von ihnen begeistert. Bei meiner Salzburger Aufführung der "Vier Jahreszeiten" von Vivaldi im Dezember 1999 waren Mitglieder des Moyzes-Quartetts der Kern des Streicherensembles und wir verstanden uns ausgezeichnet.....Im kommenden Festival Convergences werde ich neue slowakische Musiker kennenlern und freue mich darauf. Der gebürtige Wienes BS fühlt sich also in der "Wiener Vorstadt" Bratislava - darf man das sagen? - wirklich wohl.


Veröffentlicht in der slowakischen Tageszeitung SME, Juni 2001

Žiadne komentáre:

Zverejnenie komentára